Opulente Naturfoto-Bildbände wie „Die Erde von oben“ haben in den letzten Jahren die Bestseller-Listen erobert und viele Menschen für die Naturfotografie begeistert. Was sind die Themen der Naturfotografie? Was macht eine gute Naturfotografie aus?
Birgit Kuhn und Dr. Sofia Delgado, die Gründerinnen von muenchen-querbeet.de, haben mit Dr. Ferry Böhme, Tierarzt und passionierter Naturfotograf, über Naturfotografie und seine Ausstellung „Die Welt im Tau“, die noch bis zum 17. November im Museum Mensch und Natur zu sehen ist, gesprochen.

M-Q: Herr Dr. Böhme, Sie sind Tierarzt und Naturfotograf. Sind Tiere Ihr bevorzugtes Thema in der Naturfotografie?

Dr. Ferry Böhme: Nein, aber vom fotografischen Gesichtspunkt aus ist es sicherlich eine größere Herausforderung, ein bewegtes oder potentiell bewegliches Motiv zufriedenstellend umzusetzen als ein statisches. Vor allem müssen Sie das Tier nicht nur finden und im richtigen Licht abbilden, sondern es darf sich auch nicht gestört fühlen, um sein natürliches Verhalten zu zeigen.

M-Q: Was macht ein gutes Naturfoto aus? Worauf sollten Hobbyfotografen besonders achten?

Dr. Ferry Böhme: Ein gutes Foto transportiert Emotionen.

Dies ist nur möglich durch saubere und gewissenhafte Arbeit draußen. Ein Stativ ist dabei eine der wichtigsten Voraussetzungen, denn es zwingt zur Ruhe – und schalten Sie die Vollautomatik Ihrer Kamera aus. Das Hirn hinter dem Sucher muss denken, nicht der Prozessor der Kamera.

Neben der Beherrschung der fotografisch-handwerklichen Grundlagen im Umgang mit Blende, Belichtungszeit und Bildeinteilung ist viel Geduld und Vorarbeit erforderlich. Zur rechten Zeit am rechten Ort heißt auch, dass Sie die Licht- und Witterungsverhältnisse einschätzen müssen, Vegetationszeiträume kennen und das Verhalten der Tiere studieren.

Ein Dachs am Bau lässt sich nicht beim ersten Mal fotografieren, weil man Lust darauf hat, und die Libelle sitzt nicht am Straßenrand um zu warten, bis sie fotografiert wird. Stunden, Tage oder Wochen gehen manchmal ins Land, bis eine Bildidee sich der Realisierung nähert. Bei manchen Motiven dauert dies Jahre.

In Anlehnung an die Arbeiten des großen Pioniers der deutschen Naturfotografie, Fritz Pölking, vertrete ich die Ansicht: „Ein gutes Bild entsteht erstens im Kopf und zweitens in der Kamera vor Ort, nicht zuhause am Computer“.

M-Q: In der Ausstellung die „Die Welt im Tau“ zeigen Sie Naturfotos aus der Region um München. Worin liegt für Sie der besondere Reiz in dieser Gegend?

Dr. Ferry Böhme: Der Reiz einer Gegend liegt immer darin begründet, was man in ihr sieht. Sehen im wahrsten Sinne des Wortes. Urlaub ist Urlaub, aber das tägliche Leben findet hier, in der Heimat statt. Dass diese manchmal mehr Naturschätze bereithält als überlaufene, exotische Orte, wird oft übersehen. Das Münchner Umland und das Alpenvorland bieten eine Vielzahl unterschiedlicher, vielgestaltiger Lebensräume trotz der dominanten Kulturlandschaft.

M-Q: Viele Naturfotografen zeigen die Schönheit und Erhabenheit der Natur in ihren Bildern. Ist es nicht auch Aufgabe der Naturfotografie, auf die Gefährdung und Zerstörung der Natur aufmerksam zu machen?

Dr. Ferry Böhme: Genau dies ist sicher der Antrieb vieler Naturfotografen – sonst gingen uns ja die Motive aus! Ziel des Projektes „Welt im Tau“ ist es unter anderem, die Schönheit der heimischen Natur zu illustrieren und aufzuzeigen, um einen aktiven Beitrag zum Schutz und zur Erhaltung leisten zu können. Denn nur wenn wir mit dem Herzen sehen, was es zu erhalten gilt, werden wir es auch tun.

M-Q: Durch Ihre fotografische Arbeit sind sie mit Rüdiger Nehberg , der sich als Survival-Experte und Aktivist für Menschenrechte einen Namen gemacht hat, in Kontakt gekommen. Sie unterstützen Rüdiger Nehbergs Projekt „Target“, das sich gegen Genitalverstümmelungen in Afrika wendet. Warum haben Sie sich für dieses Projekt entschieden?

Dr. Ferry Böhme: Ich habe vorher viele Jahre andere Projekte unterstützt. Aber bei den meisten dieser Projekte ging es im Nachhinein um Publicity, Eigenverwaltung und Vermarktung. Das Geld ist hier nie zu 100% zu denen gekommen, die es brauchen.

Bei Annette und Rüdiger läuft da der Hase anders – die Ergebnisse können sich sehen lassen. Rüdiger hätte es nicht nötig, seinen Lebensabend so stressig zu gestalten, wenn nicht die innerste Überzeugung und Idealismus der Antrieb hierfür wären. Nur wer auch bereit ist, unter Entbehrungen geistige Wüsten zu durchqueren, kann sich einem Ziel wie dem Kampf gegen die Genitalverstümmelung so voller Hingabe widmen – und in 10 Jahren mit der Kraft der einfachen Leute mehr erreichen als großspurige Versprechungen von 1000 Politikern oder manche mit Millionenspenden bedachte NGO.

Jedes einzelne Mädchen, das wir vor diesem Wahnsinn bewahren, ist ein neuer Sieg!

M-Q: Als Naturfotograf sind Sie viel unterwegs. Wohin führt Ihre nächste Foto-Reise und was ist das Thema der Reise?

Dr. Ferry Böhme: Zuallererst geht es in den Sommerferien mal wieder mit der Familie auf Reisen. Allerdings muss man hier die fotografischen Brötchen etwas kleiner backen, denn der jüngste Spross hat mit 9 Monaten noch wenig Lust, mit Papa in die Pampa zu ziehen! Im September verschwinde ich dann erstmals für zwei Wochen nach Schottland, um mein neues Vortragsprojekt nach mehreren Irlandreisen zu starten.

M-Q: Gibt es bereits Pläne für eine neue Foto-Ausstellung?

Dr. Ferry Böhme: Ja, die gibt es. Anfragen liegen schon vor. Hier sind auch Neuseeland, Irland und Nepal ein Thema.

M-Q: Herr Dr. Böhme, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Dr. Ferry Böhme: Gerne, vielleicht sieht man sich mal früh um 05:00 mit der Wathose in der Amper – ein wenig überlaufener Ort für ausführliche Gespräche zum Thema Naturfotografie!

Dr. Ferry Böhme

Ferry Böhme, 1973 im Vogtland geboren, wird früh durch die Eltern für die Natur begeistert. Mit zehn Jahren folgen erste Knips- und Dunkelkammerversuche mit Rollfilm, bevor er 1987 seine erste Spiegelreflexkamera vom Großvater bekommt. 1991 beginnt er sich für Natur- und Reisefotografie zu interessieren. Seitdem entstehen immer wieder neue Dia-Vorträge und Reportagen. Erst 2011 entschließt er sich, auf Digitalfotografie umzusteigen.

Irland, die Kanaren, Ostafrika, West-Kanada, der Balkan, Südwest-England, Alpen und Tatra, Kapverden, Nepal, Skandinavien und immer wieder Neuseeland sind geografische Ziele seiner Fotografie. Oft “verschwindet” er dabei viele Tage mit Rucksack und mehr als 20 kg Fotoausrüstung in der Wildnis. Direkt vor der Haustür in Deutschland ist er seit Jahren mit dem Naturfotoprojekt „Welt im Tau – Naturwunder im Alpenvorland” erfolgreich.

Der promovierte Tierarzt, Kommunikationstrainer und Naturfotograf organisiert seine Touren meist selbst. Die Bilder zeigt er seit vielen Jahren in stets live kommentierten Vorträgen, auf Ausstellungen und in Fotofachzeitschriften. Böhme referiert u.a. bei renommierten Veranstaltern wie dem Deutschen Alpenverein und auf Europas größtem Naturfotofestival – den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen.

Böhme – Vollmitglied der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT) – war 2006 Preisträger beim Naturfotowettbewerb „Glanzlichter“ und ist Jurymitglied renommierter Naturfotowettbewerbe.

Seit 2011 zeigt er jeweils mehrmonatige Fotoausstellungen zur „Welt im Tau“ in Bayern, u.a. für die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns, und gestaltet Bildprojekte für den Bayerischen Naturschutzfonds.

Seit einer persönlichen Begegnung mit dem Menschenrechtsaktivisten Rüdiger Nehberg im Jahre 2006 unterstützt er mit Erlösen aus der „Welt im Tau“ aktiv dessen Projekt TARGET e.V. im Kampf gegen die Genitalverstümmelung bei den Mädchen in Afrika.

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Dr. Ferry Böhme
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